Unten stehender Bericht aus der TAZ vom 04.09.2011 bedarf wohl keiner weitern Worte.

Die BRANDRODUNG im Sozial- und Bildungsbereicht geht weiter

Einheitsangebot für alle

Die SPD streicht in ihrem neuen Arbeitsmarktkonzept Projekte, in denen Jugendliche begleitet den Hauptschulabschluss machen. Auch reine Frauenprojekte soll es nicht mehr geben.von KAIJA KUTTER
An Interessenten mangelt es nicht: Das Projekt "Jobkontor" ist weit über die Kapazitäten ausgebucht.  Bild:  Tina Fritsche
Das Projekt "Jobkontor" im Schanzenviertel ist zu 250 Prozent ausgebucht. "Die Jobcenter lieben uns und schicken uns Jugendliche ohne Ende", berichtet Sozialarbeiter Thomas Humbert. Das Konzept, bei dem Jugendliche in kleinen Gruppen im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit (AGH) den Hauptschulabschluss nachholen können, habe sich bewährt. Doch damit ist zum Jahresende Schluss. Das neue Arbeitsmarktkonzept des SPD-Senats sieht diese Möglichkeit nicht mehr vor.
Das überrascht. Denn SPD-Sozialsenator Detlef Scheele und Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock hatten bei der Vorstellung des Konzepts vergangene Woche betont, wie wichtig der Bildungsaspekt sei. Im Jahr 2012 soll es noch 3.900 Ein-Euro-Jobs für "arbeitsmarktferne" Menschen geben, die die Teilnehmer zunächst stabilisieren und dann in Bildungsmaßnahmen überführen sollen. Dafür gibt es jetzt ein neues "Interessenbekundungsverfahren", für das sich die rund 40 Träger bewerben können.
Doch ein Blick auf die Ausschreibung, die auf der Internetseite der Team.Arbeit.Hamburg veröffentlicht ist, macht deutlich, dass es nur noch einen Typus von Arbeitsgelegenheit für alle geben soll. "Die verfahren nach dem Motto ,one size fits all'", sagt Sozialarbeiter Humbert. Die Unterscheidung in Zielgruppen, etwa für unter 25-Jährige oder Frauen, "wird grundsätzlich aufgehoben", heißt es dort. Die Plätze sollen so konzipiert sein, "dass jede Arbeitsgelegenheit für jeden Leistungsberechtigten ohne Einschränkung" möglich ist.
"Den Hauptschulabschluss können wir in dieser Form nicht mehr anbieten", sagt Humbert. Was schade wäre, denn man erreiche Jugendliche, die sonst gar keinen Anschluss mehr fänden. "Zu uns kommen all die, die woanders rausgeflogen sind und nicht zurechtkamen, weil die Klassen zu groß waren oder sie gemobbt wurden." Die jungen Leute helfen in Schul- oder Stadtteilküchen mit, und gehen an drei Tagen auch noch zur Schule. Dort lernen sie in kleinen Gruppen Versäumtes und Vergessenes, um sich auf die externe Hauptschulprüfung vorzubereiten.
Durch die neue Ausschreibung entfallen auch alle Projekte, die ausschließlich für Frauen bestimmt sind. In Trägerkreisen geht man davon aus, dass die Team.Arbeit.Hamburg einige dieser Angebote gern erhalten hätte. Doch der Wunsch des Senats, ein weniger zersplittertes System zu schaffen, stand dem entgegen. "Das ist im Prinzip richtig. Aber hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", findet die Sprecherin der Beschäftigungsträger, Petra Lafferentz.
Gravierend sei die Verschlechterung für Alleinerziehende. Sie bekamen bisher zwei Euro die Stunde an Aufwandsentschädigung, um die Kosten für die Kinderbetreuung zu begleichen. "Das fällt jetzt weg", sagt Lafferentz. "Zieht man die Aufwendungen für Fahrkarten und Kita-Gebühren ab, haben diese Frauen fast nichts übrig." Und wenn man auch Migrantinnen erreichen wolle, seien Beschäftigungsprojekte wichtig, die sich nur an Frauen wendeten.
Es gebe im Arbeitsmarktprogramm eine Reihe von Bildungsangeboten für Frauen, entgegnet die Sprecherin der Sozialbehörde, Julia Seifert. Nur eben nicht bei den Ein-Euro-Jobs. Deren neue Zielgruppe seien "besonders arbeitsmarktferne Menschen mit weiteren Problemlagen", so Seifert. "Ob diese Frauen oder Männer sind, ist erst einmal nebensächlich." Und bei Jugendlichen setze man jetzt direkt auf Ausbildung. Die zu beginnen und erfolgreich abzuschließen, bringe die Betroffenen "wesentlich weiter als ein formaler Hauptschulabschluss". Deshalb würden Projekte, die Ein-Euro-Jobs mit dem Schulabschluss verknüpfen, "nicht mehr gefördert".
Diese Einschätzung teilt Humbert nicht. "Zu uns kommen etwa 100 Jugendliche im Jahr. Für die meisten ist Schule erst mal das Richtige, weil es sie motiviert und sie sich noch orientieren, was sie werden wollen." Er will nun versuchen, das Projekt mit Mitteln aus der Jugendhilfe zu erhalten.